BERICHT EXPERTENTELEFON \"CED - Darmerkrankungen\" am 20.10.2011

Hilfe für den Darm

Innovative Therapien können die Lebensqualität bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen spürbar verbessern


Sie müssen den Tagesablauf penibel planen und stets darauf achten, dass eine Toilette in der Nähe ist: In Deutschland leiden rund 300.000 Patienten unter chronisch entzündlichen Darmerkrankungen. Bauchkrämpfe und Durchfälle zwingen die Betroffenen oft zehn- bis 20-mal am Tag zum Rückzug auf das stille Örtchen. Spontanität und Lebensfreude werden massiv eingeschränkt. Die psychische Belastung ist hoch – vor allem für junge Patienten. Bei Morbus Crohn und Colitis ulcerosa zeigen sich erste Symptome häufig zwischen dem 15. und 30. Lebensjahr, manchmal auch schon im Kindesalter. Was Betroffene tun können, um sich den Alltag zu erleichtern, und welche Chancen in modernen Behandlungsmethoden stecken, erfuhren die Anrufer am 20. Oktober 2011 von vier erfahrenen Spezialisten am Expertentelefon.

Die Ursachen sind noch nicht ganz geklärt. Doch man weiß, dass äußere Einflüsse wie Stress und eine familiäre Veranlagung eine wesentliche Rolle bei der Entstehung von Morbus Crohn und Colitis ulcerosa spielen, die mit einer gestörten Darmbarriere einhergehen. „Dabei wird die normale Besiedlung mit neutralen und gesundheitsfördernden Bakterien im Darm verändert und entzündungsfördernde Botenstoffe werden verstärkt ausgeschüttet“, erläutert die Kieler Oberärztin Dr. Tanja Kühbacher. Durchfälle, Krämpfe und entzündliche Veränderungen im Verdauungstrakt sind die quälenden Folgen. Während bei einer Colitis ulcerosa nur der Dickdarm betroffen ist, kann sich die Entzündung beim Morbus Crohn vom Mund bis zum Enddarm erstrecken. Um die beiden Varianten zu unterscheiden, ist eine differenzierte Diagnostik inklusive Darmspiegelung notwendig.

 

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Psychologische Hilfe empfohlen

Beide Erkrankungen könnten die Betroffenen stark schwächen und dazu führen, dass sie kaum noch am sozialen Leben teilnehmen, erklärt Prof. Dr. Andreas Raedler. Auch die Angst, die nächste Toilette nicht schnell genug zu erreichen, schmälere die Unternehmungslust mitunter erheblich. Um diesen Effekten zu begegnen, rät der Chefarzt des Asklepios Westklinikums Hamburg seinen Patienten, sich nicht nur im Hinblick auf die medikamentöse Behandlung professionelle Hilfe zu holen. „Um Scham und Ängsten zu begegnen, kann es von Vorteil sein, zusätzlich zu der sonstigen Therapie eine begleitende psychologische Betreuung in Anspruch zu nehmen“, betont der erfahrene Gastroenterologe. Damit lasse sich die Lebensfreude oft wieder erhöhen.

Moderne Therapien auch für Kinder geeignet

Auch Fortschritte in der Entwicklung der Therapiemethoden lassen zunehmend Normalität in den Alltag der Betroffenen einkehren. „Mit den heutigen Behandlungsmöglichkeiten können viele Patienten wieder mindestens 90 Prozent ihrer Lebensqualität erreichen“, führt Prof. Dr. Raedler aus. Das gelte auch für die kleinsten Patienten: „So können einige der hochwirksamen TNF-alpha-Blocker, wie zum Beispiel Infliximab, bei Kindern ab 6 Jahren mit schwergradigem aktiven Morbus Crohn eingesetzt werden.“ Diese Biologika sind geeignet für Patienten mit Komplikationen oder einem chronisch-aktiven Krankheitsverlauf. „Beispielsweise bei jungen Patienten mit ausgeprägtem Krankheitsbefall bei der Erstdiagnose oder beim Vorliegen von Fisteln“, erklärt Dr. Kühbacher. Man wendet sie aber auch als so genannte Top-down-Therapie an, rechtzeitig bevor es zu Komplikationen kommt. Auch auf CED spezialisierte Kindergastroenterologen könnten die Therapie, die als Infusion gegeben wird, in enger Ansprache mit dem Kinderarzt verordnen. Adressen von Spezialisten sind bei der Zentralen Beratungsstelle der Deutschen Morbus Crohn/Colitis ulcerosa Vereinigung DCCV e.V. in Berlin erhältlich. Um Ängste zu minimieren, rät die Expertin, die kleinen Patienten in alle Vorgänge rund um die Behandlung mit einzubeziehen.

Keine Einschränkungen beim Sport

Da sich die beschwerdefreien Phasen mit einer zeitgemäßen Behandlung entscheidend verlängern lassen, gibt es im Alltag bei entsprechender ärztlicher Überwachung nach den Erfahrungen von Dr. Stefanie Howaldt kaum Einschränkungen. Auch nicht bei sportlichen Aktivitäten. „Es gibt keine Untersuchungen, die gezeigt haben, dass sich Sport negativ auf die Erkrankung auswirkt“, weiß die CED-Expertin aus Hamburg. Allerdings sollte man im akuten Schub nicht unbedingt Marathon laufen. Auch beim Essen haben Patienten die Auswahl und können weitgehend genießen, was ihnen schmeckt. „Die medizinische Wissenschaft konnte bisher weder bei Morbus Crohn noch bei der Colitis ulcerosa bestimmte Nahrungsmittel identifizieren, die schädlich oder nützlich sind“, betont Dr. Thomas Ochsenkühn. Neben einer optimalen Therapie, die zur Abheilung und Gesundung der entzündeten Darmanteile führe, sei eine gesunde Nahrung empfohlen, erklärt der Leiter der CED-Ambulanz der Uni München. Lediglich im akuten Schub könne Schonkost hilfreich sein.

Weitere Informationsquellen im Internet:

  • Wichtige Adressen, CED-Expertenrat, Infobroschüren: www.darm-experte.de
  • Deutsche Morbus Crohn/Colitis ulcerosa Vereinigung e.V.: www.dccv.de
  • Niedergelassene Gastroenterologen in Deutschland: www.gastromed-bng.de
  • Allgemeine Informationen: www.kompetenznetz-ced.de

Am Telefon saßen:

Dr. Stefanie Howaldt, Fachärztin für Innere Medizin in einer CED-Schwerpunktpraxis in Hamburg. Schwerpunkte: Betreuung überwiegend schwerkranker Patienten und ambulante Durchführung der Therapie mit Biologika.

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PD Dr. Tanja Kühbacher, Oberärztin am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Klinik für Innere Medizin I in Kiel. Schwerpunkte: Entzündungsmedizin und CED-Ambulanz.

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PD Dr. Thomas Ochsenkühn, Leiter der CED-Ambulanz und Privatdozent an der Medizinischen Klinik II des Klinikums Großhadern der Uni München. Schwerpunkte: CED-Spezialdiagnostik und Therapie vor allem mit Immunsuppressiva und Biologika.

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Prof. Dr. Andreas Raedler, Chefarzt des Asklepios Westklinikums Hamburg, Abteilung für Innere Medizin, Gastroenterologie. Schwerpunkte: Krankheitsgeschichte chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen, Gastroenterologie und Immunologie.

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Quelle: deutsche journalisten dienste (djd),